Die UNICON 21 in Bemidji, Minnesota, USA ist Geschichte!

Mit welchen Erwartungen fährt man zu einer UNICON? Welche davon gehen auf, welche bleiben unerfüllt? Was hat gut funktioniert, was klappte gar nicht? Was verschaffte uns glückliche Momente, was brachte Enttäuschungen? Was war das Grundgefühl dieser WM?
Über all das und vieles mehr erzählt dieser letzte Blogbeitrag zur WM 2024.

Die UNICON 21 in Bemdji, Minnesota war unsere sechste Weltmeisterschaft. Wir starteten 2012 in Brixen als Frischlinge, ahnungslos in jeder Beziehung. Alles war neu, aufregend, undurchsichtig, überwältigend. Von so manchem Event innerhalb dieser Veranstaltung erfuhren wir erst im Nachhinein. Teil der großen Community waren wir da noch nicht, eher Beobachter am Rande als vollumfänglich involvierte Mitglieder. Das änderte sich 2014 in Montreal. Mit einiger Erfahrung ausgestattet, konnten wir unsere zweite UNICON schon viel mehr genießen, fühlten uns nicht mehr verloren in der Komplexität eines solchen Ereignisses und brachten neben unzähligen wunderbaren Eindrücken auch bereits eine große Anzahl an Altersklassenmedaillen mit nach Hause zurück. In San Sebastian 2016 gab es die erste Expertmedaille für unseren Verein, heuer nehmen wir 12 Exemplare mit nach Gars, darunter sogar drei Weltmeistertitel.

Von WM zu WM wurde der Erfahrungsschatz größer. Seit der UNICON in Südkorea agieren wir neben unseren Wettbewerben auch immer als Volunteers, seit Grenoble 2022 sind wir durch Konstantin sogar in die Organisation involviert – ein Weg nach oben.  

Und trotzdem ist es schade, dass wir bei der 2012er WM nur so wenige Eindrücke sammeln konnten. Wer diese Meisterschaft schon vollumfänglich miterlebte, schwärmt noch heute davon, wie brillant sie organisiert gewesen sei. Auch wir erinnern uns zumindest daran, wie kurz die Wege zwischen den Sportstätten waren. Freestylehalle und Stadion für die Einradrennen nutzten eine gemeinsame Tribünenseite, so dass man nur ein paar Stufen hochsteigen musste und schon stand man in der jeweils anderen Lokalität. Auch die für Trial oder Flat verwendete Eishalle befand sich nur wenige Schritte entfernt im selben Areal. Der Weg zu den Muniwettkämpfen an der Plose war mit dem Auto in 30 Minuten zu bewältigen – welch ein Luxus. Diesen Komfort für die Sportler konnte bisher kein weiterer Austragungsort bieten, auch Bemdiji nicht. Aber es ist nicht nur der geringere Komfort, um den es schade ist. Für die Spezialisten unter den Einradlern bedeutet das, kaum die Chance zu haben, auch all die anderen Wettbewerbe einmal zu erleben, die Helden jener Disziplinen kennenzulernen und den Einradsport in seiner ganzen großen Fülle zu erfahren. Wir haben mit Freestyle-Fahrerinnen gesprochen, die waren erstaunt, als wir ihnen von 36 Zoll Rädern mit Schaltung und Bremse erzählten, die wussten nicht viel von anderen Wettkämpfen, kannten keinen Sportler anderer Disziplinen mit Namen, geschweige denn irgendwelche Rekorde. Ihre WM-Welt bestand aus der Turnhalle der Bemidji-Highschool, viel mehr haben sie nicht mitbekommen. Das ist jammerschade, denn eine UNICON ist doch gerade dazu da, um zu vernetzen, um andere Sportler kennenzulernen und um zu erleben, wie vielseitig unsere Sportart ist. Einige haben es in den Pausen zumindest mal an die Rennbahn geschafft, die auch im weitläufigen Gelände der Highschool angesiedelt ist.


Bevor wir aber ein wenig genauer auf die Details schauen, möchten wir zuerst Danke sagen an die Ausrichter der UNICON 21 in Bemidji, dass sie sich dieser gewaltigen Aufgabe angenommen und die Einradwelt nach Minnesota geholt haben. Wie groß der Aufwand ist, eine so komplexe Veranstaltung ins Laufen zu bringen, kann man nur ahnen. Einen kleinen Eindruck davon bekamen wir bei den beiden von uns mitorganisierten Muni-DMs in 2019 und 2024. Wir hoffen, alle an der Organisation der UNICON 21 Beteiligten ziehen für sich ein positives Fazit und haben noch ein paar Körner und einen Strang Nerven übrig, um im Nachhinein ein wenig zu feiern und zu genießen.

Doch trotz aller Dankbarkeit für die Inangriffnahme des Projektes UNICON – gut gemeint bedeutet nicht immer auch gleichzeitig gut gemacht. Und so setzte sich hier fort, was wir seit Montreal in schöner Regelmäßigkeit erlebten: vieles gelingt prima, aber die immer gleichen Fehler werden auch wieder und wieder begangen. Man kann oder man will nicht lernen oder es ist eine Mischung aus beidem.

Und damit kommen wir zu den allgemeinen Erwartungen an dieses Event. Mit all den Wahrnehmungen und Erkenntnissen der letzten vier Veranstaltungen dieser Art ist die Hoffnung auf organisatorisch durchdachte, wettkampforientierte und geschmeidige Abläufe von vornherein nicht sonderlich groß. Wir gehen nicht mit überbordenden Vorstellungen heran. Man passt seine Wünsche an, was wäre auch die Alternative. Das schützt vor übermäßiger Ernüchterung. Wir nehmen es, wie es kommt.

Wie bei den letzten UNICONs auch, wurde in den Convention-Part viel Energie gesteckt, vielleicht sogar mehr als in den der Wettkämpfe. Das ist bedauerlich und nicht so ganz nachzuvollziehen, denn der übergroße Teil der Sportler kommt hierher, weil er um Weltmeisterehren kämpfen möchte. Sollte die Gewichtung zukünftig noch weiter in Richtung „Spaß- und Fun von nebenan“ kippen, so steht zu befürchten, dass die Teilnehmerzahlen zurückgehen. Natürlich spielt auch eine Rolle, dass viele Einradsportler aus Europa kommen und der Weg über den Atlantik nicht für jeden attraktiv oder machbar war. Aber in Erwartung erstklassig organisierter Wettkämpfe hätte es den einen oder anderen mehr gewiss noch nach Bemidji gelockt.
Aus dem Ereignis ein Event für die gesamte Region zu machen und somit auch Nicht-Einradfahrer anzulocken, ist dabei gar kein so schlechter Gedanke. Wie gut so etwas funktionieren kann, hat man bei den European Championships 2022 in München erlebt, als Europameisterschaften in über 10 Sportarten mit dem erfolgreichen Festival „The Roofs“ auf dem Olympiagelände verknüpft wurden. Aber dafür benötigt es bedeutend mehr Helfer und eine andere Anwerbestruktur für diese und für die Volunteers, wobei der Hauptfokus noch immer auf den Wettkämpfen liegen muss, was in München prima gelang.
Wenn aber mehr Kraft dafür verwendet wird, ein Einradmuseum auszustatten und Ausstellungsexemplare aufzutreiben als dafür, dass genügend Helfer an den Wettkampfstätten vorhanden sind, dann stellen sich Fragen nach der Intention einer solchen Veranstaltung. Wenn Volunteers schlecht oder gar nicht versorgt werden oder allein deren geringstes Bedürfnis nach einem Toilettengang nicht erfüllt werden kann, weil selbst nach Stunden keine Ablösung kam, wenn keine medizinische Notfallversorgung für die Sportler organisiert ist oder so mancher Wettbewerb bis wenige Minuten vor dem ersten Start kaum Form und Struktur hat, dann kann man nicht nur Lob aussprechen für eine solche Veranstaltung, für die jeder Competiter und jeder Noncompetiter eine gute Summe an Teilnahmegebühr hinblättern musste. Schaut man die Liste der Teilnehmer durch, so kamen weit mehr als zwei Drittel aus Deutschland, Dänemark, Italien, der Schweiz, den Niederlanden, Belgien oder Japan. Und denen kann man wohl „unterstellen“, dass der Hauptteilnahmegrund die Wettbewerbe sind. Der Spaß und das soziale Miteinander ergeben sich ohnehin von selbst, wenn man über zwei Wochen an einem Fleck hockt, viele Stunden des Tages miteinander verbringt und gemeinsam in einer Unterkunft wohnt.

Und das läutet auch gleich die Kategorie „Was klappte gut?“ ein. Allem voran die Wohnmöglichkeiten. Die Bemidjii State University hatte ihre Dorms zur Verfügung gestellt, in denen für einen akzeptablen Preis Zimmer verschiedener Größe mit Verpflegung gebucht werden konnten. Einen Kühlschrank gab es auch dazu, wenn man wollte. Der Check-In funktionierte bestens, das passende Zimmer war vorbereitet und der georderte kleine Kühlwürfel stand auch schon bereit und arbeitete fleißig – insgesamt eine sehr feine Sache.

Von uns zwar nicht genutzt – aber auch die Abholung all derer, die nach Minneapolis geflogen sind, scheint reibungslos gewesen zu sein, zumindest haben wir nichts Gegenteiliges gehört.

Kleinere Punktabzüge gab´s bei der Anmeldeprozedur. Die kostete uns einen ganzen Vormittag. Was man dabei so verkomplizieren musste, hat sich uns nicht erschlossen. Namen abhaken, Pass anschauen, Startnummer und eventuell bestelltes T-Shirt austeilen, nach Absichten zum Volunteering fragen und Bändchen ans Handgelenk – viel mehr ist das nicht, pro Station kaum mehr als eine Minute. Vor uns standen vielleicht 30 Leute und dann dieses sich über Stunden in die Länge ziehende Prozedere – merkwürdig. Naja, so merkwürdig dann doch wieder nicht. Wenn ganze (deutsche) Vereine sich mit Mann und Maus an der Warteschlange vorbeischleußen, nachdem sich lediglich ein Fahrer angestellt hatte und dann auch noch den ganzen Verkehr aufhalten, weil sie keine Ausweise dabeihaben, dann addiert sich zur veranstaltergemachten Beschaulichkeit auch noch deutsche „Handtuch-auf-Poolliege-Mentalität“ in Kombination mit „vielleicht hätte ich vorher mal nachdenken sollen“.

Die Wettbewerbe muss man differenziert betrachten, da hingen Gelingen oder Nichtgelingen davon ab, wer verantwortlich zeichnete. Dort, wo clevere Leute motiviert und strukturiert im Einsatz waren, Probleme vorausahnten, sportlerfreundliche Lösungen fanden und auch persönlich ein Stück weit leidensfähig waren, klappte vieles gut.

In erster Linie bei den RENNEN. Vom Interesse und der Aufmerksamkeit her betrachtet, die die Ausrichter diesem Bereich schenkten, hätten die Races das Schlusslicht werden müssen im Ranking dessen, was weltmeisterlich gelang. Durch Jan und Lars Vockes unermüdlichen Einsatz jedoch katapultierten sich diese Wettbewerbe auf der pechschwarzen Rundbahn an der Bemidji Highschool ganz nach vorn in der Rangliste. Wir haben im Vorhinein einige der auflaufenden und nicht zu lösenden Schwierigkeiten mitbekommen. Wir haben auch wahrgenommen, wie man es den beiden hier vor Ort nicht leicht machte – und doch klappten die Rennen so erstklassig. Mal wieder vielen Dank, ihr beiden! Ebenso danke an Lena Vocke und Philipp Schmid, die pausenlos im Einsatz waren und an alle Volunteers, die die Races zum Laufen brachten.
Kleine Randbemerkung für alle, die zum Ende der zweiten Woche nicht noch mal zur Highschool rausgekommen sind – am Donnerstag sah es bereits so aus auf der Rennbahn:

Recht geschmeidig gingen die Road-Races durch. Die Strecken um den Lake Bemidji waren besser als im Voraus vermutet oder befürchtet. Man fand dann doch noch (fast) ausreichend Volunteers, die gefährliche Straßenabschnitte im Blick behielten, es wurde pünktlich gestartet, die Ergebnisse waren flott online verfügbar, die Versorgung der Fahrer nach den Rennen war gut. Leider gab es nicht die Möglichkeit, Weltrekorde anerkennen zu lassen. Über 10 km blieben sowohl Simon als auch Timo unter Simons alter Bestmarke – schade, das ist der einzige Wermutstropfen.

Gut organisiert waren auch die Urban-Competitions, die mit der Arena im Sanford Center eine passende Location zur Verfügung hatten, zumindest jene, die wir miterlebten. Je nach speziellem Verantwortlichen wurde auch die in der Halle vorhandene Medientechnik sinnvoll einsetzt. So konnte man bei den Speedtrial-Finals auf dem LED-Würfel an der Decke lesen, wer gegeneinander antrat, konnte die Zeiten ansehen und durch Aufblinken des entsprechenden Namens den Gewinner registrieren. Die Finals im Hoch- und Weitsprung wurden kommentiert, von allerhand fachkundigem Publikum besucht und mit anfeuerndem Applaus sehr wertig gemacht. Bei den Trial-Finals verschenkte man so ein wenig des Potentials, das die mediale Hallentechnik geboten hätte. Leider stellte man auch die eigentlichen Hauptdarsteller des Abends nicht vor – die Sportler, die mit ihren hervorragenden Vorleistungen dieses Finale erreicht hatten. Manchmal muss man sich fragen, ob die Verantwortlichen sich mit keiner anderen Sportart beschäftigen, ob sie niemals Olympische Spiele oder Weltmeisterschaften im Fernsehen anschauen. Dort bekommt man vorgemacht, wie so etwas gehen würde. Aber selbst ohne diesen Input könnte einem doch einfallen, dass das Publikum sicher gern wüsste, wer sich da alles abmüht auf den spektakulären Hindernissen in der Arena. Und auch die Sportler würden eine solche Wertschätzung sehr genießen. So blieben sie mehr oder weniger namenlose Protagonisten.

Die Freestyle-Wettbewerbe. Ach ja, die Freestyle-Wettbewerbe – was soll man dazu sagen, ohne zu viel zu klagen. Wir haben diesmal weniger Zeit damit zugebracht, als in den Jahren zuvor. Diese Wettkämpfe wären zuweilen auch im Weg gewesen. Zusätzlich noch EK oder PK zu fahren – mühsam bei all dem Zeitdruck, der dadurch entstand, dass fast alle von uns angesteuerten Wettbewerbe in der ersten Woche stattfanden. Für Annalena ging es sich gerade so aus, da ihre Schwerpunkte etwas anders liegen, als zum Beispiel die von Jette und Timo, aber auch sie hatte in den ersten Tagen arg zu kämpfen mit dem dichtgedrängten Zeitplan aus Rennen, Freestyle und Muni.
Einiges zum Thema Freestyle wissen wir von Konstantin, der alle Küren filmte, die Live-Streams produzierte und ohne dessen privat mitgebrachte Technik anfänglich keine Wertungs-Tablets hätten genutzt werden können. Von uns angeschaut wurden Teile der Expertküren, als Teilnehmende selbst erlebt haben wir die Großgruppenküren. Über die Reihung der sechs Großgruppen ist im Nachhinein nicht mehr viel gesprochen worden. Es war die Worte nicht wert, und es ist auch tatsächlich schon ein gewisser Abstand da zu diesem Metier. Freestyle wird für uns zunehmend unattraktiv, die Lust daran sinkt rapide. Das über weite Teile laienhafte Wertungssystem lässt uns zu anderen Disziplinen überlaufen. Beim Judgen fehlt es noch immer an einer nachvollziehbaren Grundlage, die transparente Ergebnisse möglich macht, aber man will wohl auch gar keine. Wir haben inzwischen so viele Gespräche zu diesem Thema geführt, so viel Feedback gegeben, so viele Emails geschrieben, auf so viele Umfragen ausführlichst und mit konkreten Vorschlägen geantwortet – es war alles für die Katz. Nach wie vor prallen in dieser Disziplin überbordende Wunschvorstellungen nach Professionalität mit dilettantischer Umsetzung aufeinander, ganz arg bei jeder UNICON, in etwas milderer Ausprägung aber auch bei nationalen Wettbewerben. Wir haben bei den von uns gesehenen Expertküren mal die Kamera auf den Wertungstisch gehalten und uns diese Videos im Nachhinein angeschaut. Nicht die Hälfte der Tricks ist notiert wurden. Die Mehrzahl der Judges starrte nur paralysiert die Küren an. In Expertküren werden zwischen 60 und 80 Tricks/Übergänge gefahren, wer soll diese Fülle notieren? Und wenn selbst das schon nicht gelingt, wie sollen dann noch Bemerkungen dazu fixiert werden, ob ein Trick gerade so geschafft oder exzellent gefahren wurde? Das beherrschen nur ganz wenige derer, die sich in Jurys setzen. So wäre der erste und von uns schon so oft erbetene Schritt, mit Tricklisten zu arbeiten, die im Voraus von den Fahrern abzugeben sind und die nur noch abgehakt und minimal ergänzt werden müssten, falls innerhalb der Kür ein Trick spontan getauscht oder weggelassen wurde. Schon bei der Süddeutschen in Schorndorf 2023, als man von der Empore gegenüber der Haupttribüne den Wertungsrichtern wunderbar auf die Finger schauen konnte, war uns aufgefallen, wie wenig von dem, was da an Tricks und Übergängen gezeigt wurde, dann auch tatsächlich auf dem Papier gelandet ist. Wie soll dann entschieden werden, aus welcher Schwierigkeitsgruppe die Fülle an Tricks kamen? Und die Trick-Anzahl kann bei dieser Vorgehensweise ohnehin nicht stimmen. Auch war das alberne Mitsingen und Mitsprechen der Liedtexte wieder ausschlaggebend für eine gute Presentation-Wertung. Dass man davon nicht endlich mal wegkommt.
All das treibt uns jenen Wettbewerben in die dankbaren Arme, bei denen es nachvollziehbare Podestplätze gibt, wo ein angenehm positives Wettkampfklima herrscht, wo ein faireres Publikum jede Leistung würdigt und wo nicht am Ende derjenige eine Medaille um den Hals hängen hat, für den auf den Rängen am lautesten geschrien wurde. Inzwischen haben wir auch noch von der Einflussnahme der Chief-Judges gehört, die Druck machten auf die Juroren, wenn es um das Problem ging, die völlig verschiedenen Stile von japanischen und europäischen Fahrern in eine Reihenfolge zu bringen. Klang nicht so gut.
In vielen Entscheidungsklassen war es hier eine Deutsche Freestyle Meisterschaft mit vereinzelten „Gästen“, in zwei Wertungskategorien gab es gar nur deutsche Teilnehmer.
Wir haben zum Glück immer auf Vielseitigkeit gesetzt im Trainings- und Wettkampfbetrieb, deshalb befinden sich viele andere Disziplinen im Köcher, so dass uns der Abschied nicht schmerzt. Es tut uns aber für all die wunderbaren bayerischen Kaderfahrerinnen leid, die nur Freestyle machen, die nur der GG wegen über den Teich geflogen sind, die eine so feine persönliche Leistung abgeliefert haben und die auf eine erklär- und nachvollziehbare Wertung gebaut und gehofft hatten. Kopf hoch, Mädels, ihr seid gut gefahren!

Das organisatorische Sorgenkind einer jeden UNICON seit Montreal 2014 ist und bleibt der Bereich Muni-Wettbewerbe. Diesmal wurde zwar kein Desaster produziert wie beim Chaos-XC in San Sebastian 2016 oder mit miserabler Muni-Planung und mit beschämenden kommunikativen Fehlgriffen des überforderten Verantwortlichen aufgewartet, wie in Grenoble 2022, aber auch in Bemidji ließ dieser Bereich wieder viel Luft nach oben für Verbesserungen aller Art. Vor allem der seltsame Modus beim Crosscountry erregte die Gemüter. Wenig Freunde machte man sich mit der geheimen cut-off-time. War man nach einer Runde unter dieser Soll-Zeit über die Messschleife gerollt und wollte man nicht im Ergebnis hintendran gehängt werden, so wurde man quasi zu zwei erschöpfenden Eliterunden genötigt. Die Allrounder und Vielstarter unter den Teilnehmern hatten sich aber bewusst für den ca. 12 km langen Intermediate-Kurs entschieden, denn sie können nicht so viel Energie in eine einzelne Entscheidung verpulvern und dann erst einmal drei Tage zur Regeneration flachliegen. Mit solchen selbsterfunden Regeln verprellt man sich zukünftige WM-Teilnehmer, denn um nur für die Muni-Wettbewerbe über den großen Teich zu fliegen, gibt man nicht unbedingt das Geld für eine UNICON fern der Heimat aus. Und wie klein wären dann auch die Starterfelder in so manchem Wettbewerb gewesen, gäbe es nicht die Allrounder und Vielstarter unter den Teilnehmern! Man hatte in der Anmeldung für die UNICON zwischen dem Elitekurs (25 km) oder dem Intermediatekurs (halbe Strecke) wählen können. Bei dieser Aufteilung zu bleiben, wäre eine gute Wahl gewesen. Die absoluten Spezialisten hätten sich dann auf den 25 km miteinander gemessen, und bei denen hätte man ja eine Cut-off- Zeit anwenden können nach einer Runde, und die Allrounder, die auch noch Rennen fahren oder im Freestyle aktiv sind, hätten ihre Weltmeister über die halbe Distanz gekürt. Was ist daran verwerflich? In der Leichtathletik oder beim Skilaufen gibt es auch ganz selbstverständlich verschieden lange Strecken mit Weltmeistern auf jeder davon.
Auch eine Anreisezeit zu einem Wettkampf innerhalb einer UNICON von 2:45h ist zu viel. Fast sechs Stunden im Auto sitzen für einen zweifelhaften XC und einen Downhill mit dürftigen 128 Höhenmetern, der mehr ein schneller XC war – das sprengt jedes sinnvolle Maß.

Wie leider auch seit Jahren üblich, gab es an keiner der Wettkampfstätten eine medizinische Versorgung für den Notfall. An der Rundbahn für die Rennen war nicht mal ein Pflaster vorhanden. Beim Triathlon-Workshop haben wir einen verletzten Fahrer mit unserem privaten Verbandmaterial verarztet. Beim XC hat Annalena sich auf der Strecke um eine liegengebliebene Fahrerin gekümmert und Jette um einen Fahrer mit Kreislaufproblemen im Ziel. Nach jeder UNICON geben wir diesen Mangel als Feedback durch, auch diesmal wieder in der verschickten Umfrage, aber das interessiert offenbar niemanden. Es sind immer wieder die selben Leute im Orga-Team und keiner von ihnen hat ein Ohr dafür, keiner ist lernwillig. Man könnte die Beiträge zum Thema fehlende medizinische Hilfe bei Verletzungen und Notfällen aus den Blogs der letzten vier WMs einfach mit copy and paste übernehmen, sie wären tagesaktuell.

Sehr merkwürdig fanden wir, dass der IUF- Präsident Maksym Siegenczuk nicht vor Ort war und auch Secretary Jana Tenambergen nicht. Krankheitsbedingt verhindert scheinen sie nicht gewesen zu sein, auf Anfrage wurde das verneint. Warum übernimmt man einen so wichtigen sportpolitischen Posten, wenn man dann dem bedeutendsten Ereignis der Einradsports fernbleibt? Kaum nachzuvollziehen. So fehlten 50 Prozent der Officers.

Was war nun also das Grundgefühl dieser 21. UNICON? Nun, trotz all der beschriebenen organisatorischen Untiefen war es für uns persönlich, als Familie und mit all den Erlebnissen und Erfolgen eine wunderbare Veranstaltung, für die wir dankbar sind und die wir mit Freude in unseren Erfahrungsschatz übernehmen.
Es überwiegen Dankbarkeit den Ausrichtern gegenüber, die stets freundlich und hilfsbereit waren. Dazu addiert sich die Freude über Podestplätze und persönliche Bestleistungen. Wie noch jedes Mal haben wir es genossen, all die lieb gewordenen Bekannten aus aller Welt zu treffen, neue Einradfahrer kennenzulernen und in freundlicher und friedlicher Atmosphäre die zahlreichen Wettkämpfe mit ihnen zu bestreiten. Wir hatten fantastisches Wetter hier. Hin und wieder wären ein paar Grad weniger auch recht gewesen, und auf den Wind beim Coasting hätte man gern verzichtet, aber daran kann man nichts ändern, die äußeren Bedingungen waren nahezu ideal.

Es bleibt als Eindruck aber ebenso, dass man auch hier in Bemdiji wieder keine übermäßigen Anstrengungen unternommen hat, eine Portion mehr Professionalität in die UNICON und speziell in die Wettkampfe zu bringen. Oft hätte es nicht mal finanzieller Mittel bedurft, um dem Event einen hochwertigeren Anstrich zu geben.
Mit der Begründung, den Expert-Ehrungen mehr Bedeutung zuzumessen, hat man hier in Bemidji erstmalig keine Altersklassen-Siegerehrungen abgehalten. Mitgeteilt wurde das erst, als die Anmeldefrist fast vorüber war und viele bereits entschieden hatten, an der UNICON teilzunehmen. So eine weitreichende Entscheidung kippt man nicht mehr wegen einer solchen Idee der Ausrichter. Die AK-Medaillen musste man sich an einer Ausgabestelle abholen, oft nach langem Anstehen – kein wertschätzendes Prozedere. Wenn man nun aber schon nur Expert-Medaillen in einer Award-Zeremonie übergibt, dann sollten diese Ehrungen auch einen grundlegend wertvollen Rahmen haben, doch nichts von alledem war der Fall. Die Siegerehrungen plätscherten genauso belanglos dahin wie bei allen vergangenen WMs. Lediglich die EM in Sittard 2017 bildete die bisher einzige Ausnahme. Dort hatte man es verstanden, den Besten ein angemessenes Podium zu bieten. Allein das unattraktive Würfelensemble, das man als Siegerpodest nutzte und das schon nach wenigen Tagen grau und angenagt wirkte, war armselig anzusehen, von den einzelnen Award-Zeremonien ganz zu schweigen.

Oft wurde vermutlich gar nicht überlegt, in welcher Form und Reihenfolge etwas sinnvoll sein könnte. Für die 10km Siegerehrungen fuhren wir spät am Abend noch mal in die Gym der Highschool, wo gerade die Expert- Einzelküren stattgefunden hatten und wo man auf die Ergebnisse wartete. Dementsprechend voll war die Halle, das wäre eine schöne Kulisse für die Ehrung der 10km-Weltmeister gewesen. Was aber machte man stattdessen? Man ehrte zuerst die Expert- Einzelküren, mit dem Ergebnis, dass sich nach dieser Medaillenvergabe die Halle erst in Aufruhr befand und dann parallel sowohl die Freestylefahrer als auch das Begleitpersonal und die Zuschauer lärmend das Objekt verließen. In diesen Aufbruchtumult hinein rief man dann Timo und Jette zu ihren Ehrungen, welche an Belang- und Glanzlosigkeit fast nicht zu unterbieten waren – sehr schade.
Wir nehmen dieses unwürdige Vorgehen mittlerweile tatsächlich relativ klaglos hin – leider. Wer noch nicht so lange dabei ist und erst anfängt, WM-Titel zu sammeln, den erschüttert diese an den Tag gelegte Bedeutungslosigkeit noch viel mehr, so registriert bei Weltmeister Simon Jan, mit dem wir die 10 km -Awards erlebt haben.
Wie wenig Aufwand es bedeutet, diesen Ehrungen etwas mehr Glanz zu geben, haben wir bei unseren beiden Muni-DMs erfahren können. Es bedurfte für uns keiner übermäßigen Verrenkungen, um die Medaillengewinner wertvoll in Szene zu setzen.

Die Seite mit den Competition- and Result Data ist nun fast komplett, nur das Street-Ergebnis fehlte zuletzt noch. Diese Website hatten wir in den letzten 12 Tagen oft im Fokus. Von ihr geht ein ganz besonderer Zauber aus während einer UNICON, denn nicht bei allen Wettbewerben steht der Sieger sofort fest. Oft müssen Zeiten oder Weiten vieler Sportler erst ins System eingegeben werden, bevor es eine Reihenfolge gibt. Der Nervenkitzel und die Spannung beim Öffnen der Seite und der entsprechenden Disziplin wird uns fehlen.

Eine Frage auf den Feedbackseiten lautete: Would you attend the next UNICON?
Yes, we would! Trotz alledem. Weil wir es lieben, Teil der UNICON-Gemeinde zu sein; weil wir all die netten Leute treffen wollen, mit denen wir nur alle zwei Jahre zusammenkommen; weil wir den Sport mögen und all die positive Aufregung rund um die Wettkämpfe und weil die Hoffnung bestehen bleibt, dass es irgendwann eine UNICON gibt, die all das beherzigt, was viele kluge Einradler an Erfahrungen zusammengetragen haben und umsetzen könnten. Ein Verein in Österreich denkt drüber nach, eine Bewerbung für 2026 abzugeben. Wir kämen gern, und wenn ihr Unterstützung braucht, dann fragt einfach!

Und ein persönliches Wort sei mir noch gestattet, das auch gleichzeitig das Schlusswort sein soll: Die UNICON 21 war die erste Weltmeisterschaft ohne den Support meiner Eltern. Beide verstarben zu Beginn des Jahres innerhalb von nur 10 Tagen. Sie waren unsere zwei treuesten Fans, unsere beiden leidenschaftlichsten Leser und die fleißigsten Feedback-Geber unseres Blogs und zwei wundervolle Menschen. Ihr fehlt mir sehr, ihr fehlt uns sehr! So ist dieser UNICON 21 – Blog euch gewidmet, liebe Mutti, lieber Vati!


2 Antworten zu “Die UNICON 21 in Bemidji – ein Fazit!”

  1. Liebe Familie Höhne,
    ich bin der Vater einer Tochter, die das Einrad-fahren und den Sport in der Corona Zeit und im Lockdown für sich entdeckt hat. Wenn man so will, zumindest EINE positive Nebenwirkung aus dieser Zeit….
    An euch ein ganz dickes DANKE für eure Blogs und euern Einsatz. Ganz besonders für die Live- Streams und das Video-Archiv. Wir unterstützen euch da gerne. Jetzt und auch in Zukunft!
    Und unsere Gedanken und Gebete sind auch bei euch BZGL. eurer familiären Situation. Eure privaten Zeilen am Ende des Blogs haben mich sehr berührt.
    Danke, dass ihr die mit uns geteilt habt.
    Liebe Grüße

  2. Hallo Familie Höhne,
    ich bin der Vater dreier begeisterter Einrad-Teenies, komme aber selbst aus dem Fußball und der Leichtathletik. Mit Eurem Artikel vor allem zum Thema Freestyle, aber auch Muni sprecht Ihr mir aus der Seele!
    Ich bin seit Jahrzehnten sehr viel im Sport (in verschiedensten Sportarten) unterwegs, aber so viel unsportlichen “Schwachsinn” wie im Einradsport habe ich noch nirgends erlebt. Eure Vorschlage für fairere Wertungen und Wettkämpfe kann ich nur unterschreiben!
    Wenn ich beispielsweise an Anna-Lena Söll beim Cross-Country denke, als sie fix und fertig nach der Intermediate-Runde zum Weiterfahren gezwungen wurde, nur um nicht ans Ende der Elite-Wertung zu fallen, dann hat das mit echtem Sport schlichtweg nichts zu tun!!!!
    Über das Wertungssystem im Freestyle möchte ich mich hier besser nicht äußern, da mir dazu schlicht die Worte fehlen.
    Macht trotzdem weiter mit Eurer tollen Arbeit und bleibt weiter so konstruktiv kritisch, dann habe ich weiterhin Hoffnung, dass der Einradsport irgendwann doch noch erwachsen wird,
    Viele Grüße
    Klemens Lehner

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