10 Tage sind wir nun schon in Südkorea und bekommen eine erste kleine Idee vom Leben im Land unserer Gastgeber.

Was ist ähnlich wie in Deutschland?
– Die Netzspannung beträgt 220 V. Man kann ohne jeglichen Adapter jede Art von Elektrogerät nutzen, deutsche Gerätestecker und südkoreanische Steckdosen sind problemlos kompatibel.

– Vertraut erscheint uns der Baumbestand in den Mischwälder hier im Norden des Landes rund um Ansan, in denen die Geländedisziplinen ausgetragen werden. Findet man doch Eichen, Ahorn, Buchen oder Fichten in ihnen wie in den Wäldern, durch die unsere heimischen Trainingsstrecken führen. Aber die Geräuschkulisse im Gehölz ist eine ganz andere als bei uns zu Hause. Die bedeutend üppigere und auch exotischere Flora gibt es übrigens rund um die Südküste zu bestaunen, dorthin kommen wir allerdings nicht hin auf unserer Reise.

Im Großen und Ganzen aber warten neue Eindrücke hinter jeder Ecke:
– Das subtropische Klima lässt uns ununterbrochen transpirieren, selbst, wenn wir uns nicht bewegen. Schwitzen bekommt hier eine ganz neue Dimension. So etwas haben wir vorher noch nicht erlebt.

– In den Bäumen sitzen Singzikaden. Mit ihrem Trommelorgan wollen die Männchen die Aufmerksamkeit der Weibchen erregen und erreichen dabei enorme Lautstärken, von 100 Dezibel haben wir gelesen. Beeindruckt lauschten wir in den ersten Tagen diesem ohrenbetäubenden Lärm. Entgegen der nächtlichen Geräuschaktivität unserer einheimischen Grillen legen die Zikaden aber in der Nacht eine Pause ein und stören niemanden in seinem Bedürfnis nach Ruhe und Schlaf.

Autofahren hier in Südkorea ist für Ausländer keine Hexerei, obwohl man diese Warnung hin und wieder in Reisebeschreibungen zu lesen bekommt. Man muss allerdings behände und flott mitschwimmen im Verkehrsstrom. Die Koreaner sind nicht zimperlich, fahren nah auf und schnippen zudem gern mal ohne zu Blinken in die Minilücke vor einem rein. Auch darauf, dass man uneigennützig im Reißverschlussprinzip reingelassen wird, wenn zwei Spuren zu einer zusammenfließen, sollte man sich nicht unbedingt verlassen. Aber mit ein wenig Aufmerksamkeit und Courage funktioniert das schon. Wir sind zumindest froh, uns für ein Mietauto entschieden zu haben. Die Interessen und Bedürfnisse von vier aktiven Teilnehmern zeitlich unter einen Hut zu bekommen, ist wesentlich einfacher, wenn man mit dem Auto relativ zügig von Wettkampfstätte zu Wettkampfstätte gelangen kann.

 

– Als oft holprig und wenig behindertengerecht erweisen sich die meisten der Gehwege in Ansan. Heute sahen wir einen jungen Mann im Rollstuhl, der sich arg quälen musste, um sein Gefährt am Laufen zu halten und nicht umzukippen.

– Die Unmengen von Zebrastreifen scheinen lediglich eine Empfehlung zu sein, für verbindlich halten offenbar weder Autofahrer noch Fußgänger diese weiße Straßenmalerei. Die Tonnen an Farbe hätte man sich unter Umständen sparen können, da Passanten und Automobile ohnehin in munterem Durcheinander die Straße gleichzeitig nutzen.

– Ungewöhnlich lang sind die Ampelphasen. Man steht, und steht, und steht, und mitunter passiert es, dass die Aufmerksamkeit schon nachlässt und man das Interesse an der Ampelfarbe verloren hat, wenn es denn nach langem Warten doch weitergeht. Hin und wieder ist man dann schon anderweitig beschäftigt und verpasst den Start.

 

– Uns ist aufgefallen, dass man kaum junge Mütter mit Kinderwägen in der Stadt sieht. Wir haben ein wenig recherchiert  und gelesen, dass die Geburtenrate in Südkorea bedenklich rückläufig ist. Wenn das so weitergeht, hat eine in Oxford angefertigte Studie herausgefunden, könnte es das Volk sein, das zuerst ausstirbt.

– Wie in vielen wegen des Einradsports von uns bereisten Ländern, gibt es auch hier kein sprudelhaltiges Mineralwasser. Offenbar haben nur wir Deutsche eine Vorliebe für das Anreichern von Wasser mit einer anorganischen Säure. Uns jedenfalls fehlt es ein wenig. Durch den enormen Flüssigkeitsverlust wegen das beharrlichen Schwitzens müssen wir literweise trinken. Es würde uns mit etwas Sprudel ein wenig leichter fallen, auf die nötige Trinkmenge zu kommen.

– Südkorea hat wenig Gelegenheit, mit Menschen anderer Kulturen in Kontakt zu kommen. Der Landweg für Ausländer würde nur über Nordkorea führen und ist nahezu unmöglich. Autos mit ausländischen Kennzeichen begegnet man daher nicht. Zudem bestimmen fast ausschließlich Hyundai und Kia das Straßenbild, wobei einige Modelle den Audis, BMWs oder Mercedes täuschend ähnlich sehen. Die PKWs sind dabei übrigens meist gut in Schuss, bei den LKWs ist das komplette Gegenteil der Fall. Und über den Seeweg hält sich die Zahl der Besucher vermutlich in Grenzen. So entsteht eine fast isolierte Lage und wohl eher eine abwartende Haltung Fremden gegenüber. Der Gruppenzugehörigkeit wird reichlich Bedeutung beigemessen. Individualität zählt nicht so viel. So erscheinen auch die Einradsportler und ihre Betreuer stets im straff durchorganisierten Trupp. Der Ton ist dabei oft recht derb, und die Aktivitäten sind nicht selten hektisch. Auch die Kleinen werden nicht zimperlich angefasst. In so jungen Jahren hätte so ein Umgang bei mir vermutlich zu Tränensturzbächen geführt. Hier scheinen es die Jüngsten gewohnt zu sein.

– Zu unserer täglichen Ernährung hat eine Kette französisch inspirierter Bäckereien beigetragen, die Brot, Gebäck, Sandwiches, Salate und guten Kaffee anbietet. PARIS BAGUETTE heißt sie. 3.000 mal gibt es diese Filialen in Asien, und eine davon ist nur wenige Schritte von unserem Hotel entfernt. Da wir wegen der meist sehr früh beginnenden Wettkämpfe oft nicht im Hotel frühstücken konnten, ist PARIS BAGUETTE unsere morgendliche Rettung.

Umweltschonende Verpackungsweise ist als Ziel in Südkorea wahrscheinlich noch nicht etabliert. Das Obst z.B.  bekommt man doppelt und dreifach verhüllt in Plastik eingewickelt zu kaufen, die Berge an Müll in unserem Hotelzimmer sind aus diesem Grund beachtlich. Und auch deshalb, weil öffentliche Mülleimer Seltenheitswert haben. Wir packen allen Unrat wieder ein und halsen ihn dem Hotel auf, wo all der Abfall vermutlich ungetrennt bleibt.

– In den Parkanlagen gibt es unzählige Trimm-Dich-Geräte zur freien Verfügung, die selbst in der größten Hitze genutzt werden. Dort trifft man auch immer wieder auf Jogger, die bei fast 40 Grad im Schatten von oben bis untern verhüllt sind mit T-Shirt über dem langärmligen Pullover, langer Hose, Buff, Sonnenhut und Mundschutz. Gleichzeitig sieht man aber auch viele dicke Menschen im koreanischem Straßenbild.

Klimaanlagen befinden sich überall in teilweise abenteuerlichen Lagen, z.b. gestapelt in den offenen Hausfluren der Hochhäuser.


Eine Antwort zu “Abseits der Wettkämpfe”

  1. Danke den Autoren und Fotografen für die zeitnahe und ausführliche Berichterstattung
    anläßlich der Einrad-WM in Südkorea.
    Es war uns jeden Tag eine Freude die Berichte zu lesen.

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