Vom 14. bis 16. Juli trafen sich die deutschen Einradfahrer zur ihrer nationalen Meisterschaft in den Einradrenndisziplinen. Zwei Wochen vor Beginn der Europameisterschaft war das Vöhlinstadion von Illertissen, einer Kleinstadt im bayerischen Regierungsbezirk Schwaben, der Austragungsort dieser Titelkämpfe. Knapp 200 Sportler hatten hierfür gemeldet.

Schon im letzten Jahr erlebte Illertissen mit der Bayerischen Rennmeisterschaft ein ähnlich großes Einradevent, und so konnte man in diesem Jahr auf reichlich Erfahrung aus 2016 zurückgreifen. Mit dieser Routine ausgestattet, organisierten die Ausrichter vom ortsansässigen Radsportverein wahrlich schöne Wettkämpfe und boten sehr gute Rahmenbedingungen für beste sportliche Leistungen. Unterstützt wurden sie dabei vom Swiss Timing Team und von wohlwollendem Wetter. Unser Dank geht an all die Helfer aus Illertissen und den anderen Einradvereinen sowie an das Zeitmessteam.

 

Die Wettkämpfe begannen am Freitag Abend mit der Entscheidung im Coasting. Am Samstag galt es, die Rennen über 100 Meter, 50 Meter Einbein sowie 400 Meter über die Bühne zu bringen. Dazu gab es den IUF-Slalom sowie die langsam vorwärts und rückwärts Entscheidungen. Durch verschiedene kleine Widrigkeiten und Hindernisse zogen sich die Wettkämpfe ein wenig in die Länge, so dass man am Abend nach den 400 Meter Finals entschied, sämtliche Siegerehrungen auf den Sonntag zu verlegen, um den Sportlern eine etwas längere nächtliche Erholungsphase zu gönnen. Tags darauf begann man dafür um so flotter und etwas früher als im Programm vorgesehen, was uns beinahe noch ein wenig in Schleudern brachte in unserer Zeitplanung.

Die verschobenen Siegerehrungen passten dann gut in die Pausen der Tageswettkämpfe am Sonntag. Man könnte zukünftig durchaus immer so vorgehen, Ehrungen in die Auswertungshase zwischen Altersklassen- und Expertläufen zu platzieren und diese vorher mit festen Plätzen im Zeitplan anzukündigen. Eine gute Erfahrung aus der Leichtathletik: Die zu Ehrenden vorher zusammensammeln wie für die Rennen, gemeinsam zum Siegerpodest führen und dann in flotter Abfolge die Medaillen verteilen. Das spart viel Zeit, weil die einzelnen Sportler nicht immer erst aus allen möglichen Ecken des Stadions zusammen getrommelt werden müssen, dann zunächst mal hundert Meter zu Fuß zurücklegen oder zwischen den anderen Einradfahrern die Tribünenstufen herunter turnen, bevor sie am Siegerpodest ankommen. Und keiner verpasst den Aufruf zu seiner Siegerehrung in einem weniger beschallten Areal der Anlage, da er ja den Zeitpunkt für seine Ehrung aus dem Tagesplan kennt. Auf diese Weise vermeidet man den sonst üblich zähen Medaillenmarathon am Ende der Veranstaltung, und die siegreichen Sportler bekommen vor großer Kulisse die ihnen zustehende Aufmerksamkeit. 

So ein Rennwettkampfwochenende ist stets wie das pralle Leben, eingedampft auf einen Zeitraffer von 48 Stunden: Man erlebt Höhen und Tiefen in wechselnder Abfolge – geniale Erfolge, bittere Niederlagen, tiefe Enttäuschung und allergrößte Freude – aneinandergereiht wie Perlen auf einer Schnur. Dieses Gefühlswechselbad muss man als Sportler erst mal verdauen in so hoher Dichte. Aber wer das lernt, ist wohl auch für viele Widrigkeiten des Lebens gestählt, was den Sport so unbezahlbar macht.

So sind wir Garser gleichermaßen durch Berg und Tal marschiert am DM-Wochenende, haben Disqualifikationen weggesteckt oder den Ärger über eine um eine Tausendstel Sekunde verpasste Medaille verkraftet, im Gegenzug aber auch wunderbare Erfolge gefeiert, neue Bestleistungen aufgestellt, Finalläufe erreicht und jede Menge Medaillen gesammelt.
Unsere beiden Jüngsten Anna Steffan (8) und Antonia Söll (10) kämpften gemeinsam in der Altersklasse U11.
Anna verfehlte auf Platz vier nur ganz knapp eine Medaille über 50 Meter Einbein, fuhr aber mit 14,248 s eine neue persönliche Bestzeit. Wenn man bedenkt, dass sie im Oktober erst neun Jahre alt wird, bekommt diese Leistung einen besonderen Stellenwert und macht berechtigte Hoffnung auf noch einige Podestplätze in der U11 in den kommenden Jahren. Ein prima Platz fünf wurde es im Rennen über 400 Meter. Den IUF-Slalom beendete sie auf Platz 8.
Antonia erreichte Platz fünf über 800 Meter, wurde Siebte über 400 Meter und kam auf Platz acht ein über 100 Meter.

 

Zu Deutschlands besten Einradrennfahrerinnen in der 22 Starterinnen starken AK U13 gehört die zwölfjährige Annalena Söll. Diese Erkenntnis untermalte sie mit Platz zwei über 30 Meter Wheelwalk, mit dritten Plätzen über 400 Meter, 800 Meter und im Weitsprung sowie mit zwei Juniorexpertfinals: im Wheelwalk und im 800 Meter Rennen. Beeindruckend vor allem ihr Kampfgeist auf der langen Sprintdistanz und der Mittelstrecke. Zu welchen Leistungssteigerungen sie im Vergleich zu den Trainingszeiten dann im Wettkampf in der Lage ist, nötigt höchsten Respekt ab.
Knapp war es über 50 Meter Einbein. Da fehlte das schon erwähnte Tausendstel an der Bronzemedaille.
Begonnen hatte die DM für sie mit einer kleinen Panne: Das Coasting, welches im Training schon immer wieder mal gut klappt, wollte in Illertissen einfach nicht gelingen. Aber sie hat sich davon nach kurzer Enttäuschung nicht sonderlich beeindrucken lassen, sondern immer besser in das Wettkampfgeschehen reingefunden und mit vier Podestplätzen eine sehr erfolgreiche DM erlebt.

 

Auch nicht komplett zufrieden war Henriette Höhne (13) mit dem Meisterschaftsstart am Freitag Abend. Ihre Coastingleistung brachte zwar Platz zwei in der AK U15 (23 Sportlerinnen) und bei den Juniorinnen, aber da es im Training schon häufig doppelt soweit geht, blieb doch ein Hauch Enttäuschung zurück nach dieser Disziplin. Dritte wurde sie im IUF-Slalom und erreichte damit das Juniorexpertfinale. In diesem war das Ziel, die persönliche Bestleistung unter 21 s zu verbessern, was aber knapp nicht klappte. Um so besser lief es am Sonntag. Mit der neuen Bestleistung von 2,40 m wurde sie Juniorenmeisterin im Weitsprung, weit vor der Konkurrenz. Auch im Hochsprung ging es Dank der längst überfälligen Technikumstellung auf Seat out einhändig richtig vorwärts, was Platz zwei bei den Juniorinnen brachte. In beiden Disziplinen wäre sie auch in einem Expertfinale gewesen. Kleinere Tiefschläge waren Einbein und Wheelwalk. Im letzteren ist sie als eine der Favoritinnen volles Risiko gefahren, sollte doch eine Zeit gut unter 9 Sekunden herauskommen, und leider abgestiegen. 

 

Da in Illertissen letztlich die selben Fahrer an den Start gingen wie zwei Wochen zuvor bei der OBM in Hofheim und auch hier die älteste angebotene AK eine 30+ war, ähnelten Michael Höhnes Ergebnisse sehr denen von Hofheim. Er sammelte fleißig fünfte Plätze, jedoch mit neuen persönlichen Bestleistungen über 100 und 400 Meter sowie 50 Meter Einbein.

 

Knapp bemessen allerdings war die Zeit für die Entscheidungen im Hoch- und Weitsprung. 75 Weitspringern und 68 Hochspringern in vier Stunden halbwegs akzeptable Startbedingungen bieten zu können, ist mit dem momentan angewandten Modus nahezu unmöglich. Immer wieder steuern diese beiden Disziplinen in eine problematische Melange aus Zeitdruck, Unstimmigkeiten und Verdruss. Weil es auch uns ganz konkret betrifft, ein paar Gedanken hierzu:

Unserer Meinung nach sollte grundlegend über eine andere Handhabung der Springen nachgedacht werden. Die offene Startliste ist hier nicht der Weisheit letzter Schluss. Die funktioniert so halbwegs im IUF-Slalom mit seinen beiden definierten Versuchen (wobei auch da das ellenlange Anstehen die Leistungen nicht direkt fördert), aber eben nicht mehr bei 12 möglichen Anläufen und so unterschiedlichen Ausgangsleistungen wie im Sprung.
Immer wieder haben wir das in den letzten Jahren erfahren müssen. Im ungünstigsten Fall kamen Athleten gar nicht mehr zum Zug, obwohl sie ausdauernd auf ihren Start gewartet hatten – ganz bitter erlebt im letzten Jahr bei der UNICON in San Sebastian. Oder mussten bei einer Weite einsteigen, die sie kaum Springen können – wie hier und heute in Illertissen klaglos hingenommen, weil man trotz Anmeldens im vorgegebenen Zeitfenster seine Startweite nicht noch mal geboten bekam. Ein gutes Springen absolvieren zu können, basiert leider immer wieder auf Komponenten wie Zufall (zufällig an der Sprunganlage angekommen, als die gerade passende Starthöhe/weite anlag), Glück (glücklicherweise jemanden gefunden, der einen noch mit einsteigen ließ) oder Durchsetzungsvermögen (Ellenbogen ausgefahren und auf das Recht gepocht, seine Sprünge hier und jetzt gegebenenfalls auch als Alleinnutzer der Anlage durchziehen zu können). Das sind jedoch weder gerechte noch leistungsfördernde Voraussetzungen für einen guten Wettkampf. Irgendeiner zieht immer den Kürzeren. Man muss regelrecht auf der Lauer liegen, um den einen winzigen Moment fürs Einsteigen in den Wettkampf abzupassen. Springer haben keine Garantie, einen ordentlichen Wettkampf abliefern zu können wie die Rennfahrer mit ihren definierten Läufen zu festen Zeiten.
Wie könnte man das lösen:
Möglichkeit eins – jeder Springer kann jederzeit einsteigen und bekommt die von ihm gewünschte Weite/Höhe auch tatsächlich eingestellt. Das ist organisatorisch die einfachste Variante. Allerdings könnte das unter Umständen zu sehr langen Pausen zwischen den Sprüngen führen, wenn gerade viele Springer an der Anlage sind.
Möglichkeit zwei macht auch hier die Leichtathletik vor, die es schafft, an einem Wettkampftag durchaus noch einige Disziplinen mehr über die Bühne zu bringen. Vielleicht sollte man dort eine wenig “spicken”. Da werden wie in den Bahnwettbewerben auch bei den Sprung(plus Wurf)disziplinen feste Zeiten für definierte Gruppen ausgeschrieben. Hier bieten sich ganz klar wie in den Rennen die Altersklassen an, denn nach Vorleistungen eingeteilte Startgruppen wären zwar reizvoll, aber ungleich schwieriger zu organisieren, da verschieden alte Springer mit ähnlichem Potential nie miteinander Zeit haben an einem Wettkampftag. Also Sortierung nach Altersklassen – zwei Anlagen, je nach Zahl der Anmeldungen 30 oder 60 Minuten und eine Anlage pro AK – das müsste machbar sein, wenn man denn bereit ist, die Messlatte mal zu verschieben von Springer zu Springer. Dann in einer festgelegten Reihenfolge springen. So bekäme jeder Sportler auch die nötige Pause zwischen seinen Versuchen, ohne komplett aus dem Sprungrhythmus herausgebracht zu werden. Denn wenn ein Springer allein bei einer großen Weite im Gange ist, fühlt er sich zumeist etwas gedrängt, seine Versuche in dichter Abfolge zu absolvieren, auch wenn man ihm sagt, nimm dir Zeit. Die Ruhe dafür ist schwierig zu finden, wenn nebenan 10 weitere Springer nebst Betreuern berechtigterweise von einem Fuß auf den anderen treten, weil sie schon lange und mittlerweile ungeduldig darauf warten, dass es endlich wieder runter geht mit der Startweite.
Hochsprung könnte man bei einer Wochenendmeisterschaft in gleicher Weise am anderen Tag ansetzen

Die Sprungspezialisten wären gewiss dankbar, würden ihre Wettbewerbe durch einen geeigneteren Modus ein wenig entstresst. Vielleicht finden sich ein paar computerversierte Einradler, die so einen Strukturplan für eine Rennmeisterschaft entwerfen könnten mit Altersklassenvorkämpfen in den Springen und eventuell sogar im IUF-Slalom. Man bräuchte das Rad ja nicht jedes mal neu erfinden. Einmal aufgestellt und geprobt, könnte der Plan dann von jedem Ausrichter genutzt werden. 

Und vielleicht würde man es dann auch schaffen, wirkliche Finals anzubieten, die die Springer ebenso verdient hätten wie die Rennfahrer. Es wäre wertschätzend, kämen auch sie in den Genuss eines beachteten Finaldurchgangs, ein Privileg, welches den Streckenfahrern stets zuteil wird und wofür man in jeder Rennmeisterschaft Zeit findet.


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