Zum zweiten Mal in unserer Einrad-Karriere hielten wir Garser uns für die Tage einer Freestyle-Meisterschaft in der Schwarzwaldhalle in Appenweier auf, diesmal für die Süddeutsche. Es war das erste Mal, dass wir eine Location in den zwei sehr verschiedenen Systemen von Freestyle-Wettbewerben erlebten, jenem bis 2020 und dem neuen Konzept seit 2022. Und die Unterschiede waren doch beeindruckend. Am meisten fiel uns auf, dass man nicht mehr, wie 2015 noch ganz selbstverständlich üblich, für alle Fahrer klatschte. Viele Vereine applaudierten nur noch für ihre eigenen Küren. Schade ist das, traurig und nicht sonderlich fair.
Wenn man selbst nicht so viel Publikum mitbringen kann, weil man als Sportler aus einem kleinen Verein kommt, hat man, was die Publikumsunterstützung betrifft, schon mit dem Reinfahren auf die Kürfläche verloren. Und dabei sollte man den Einfluss nicht unterschätzen, den für eigene Fahrer schreiende Zuschauer inzwischen bei der Jury haben.
Auch die Reaktionen, die bei den Siegerehrungen aus zwei großen Vereins-Sitzkreisen kamen, wenn andere Fahrer/Paare/Gruppen „schlechter“ waren und nicht aufs Treppchen gelangten, markierten einen deutlichen Unterschied zur unserem ersten Aufenthalt in Appenweier. Dieses durchgängige Geschrei bei Platz vier ist ein sehr unsportliches Verhalten. Mit echter Freude über eine gelungene Kür hat das nichts zu tun. Es wäre eine der ersten Lektionen, die wir unseren Garser Fahrern für Meisterschaften beibringen würden. Aber das ist gar nicht nötig, die bringen diese Fairness von sich aus mit und sind stets verwundert über ein solches Verhalten.
So half es alles nichts – wer an den Start gehen wollte, musste da durch. Den Reigen der Garser Auftritte eröffnete Daniela Abrantes. Sie war die allererste Sportlerin überhaupt, die sich bei der diesjährigen Süddeutschen Meisterschaft der Jury stellte. Und wie brillant sie das machte! Belohnt wurde sie mit Platz 2 in der AK U11 und der Qualifikation für die Deutsche Meisterschaft, die im November in Norderstedt bei Hamburg stattfindet.
Bei der Bayerischen Meisterschaft hatte sie sich bereits gegen 11 weitere junge Damen durchsetzen müssen, um in Appenweier starten zu dürfen. Leider ließ man nur vier U11er Mädchen für diesen Wettbewerb zu. Normalerweise gibt es neun Startplätze bei der SDM, drei aus der Bayerischen Meisterschaft, drei aus der von Baden-Württemberg und drei für Hessen. Durch Altersklassenwechsel sind zwei junge Sportlerinnen aus Bayern und BW in die nächsthöhere AK gerutscht, und aus Hessen trat niemand an. Die fünf freien Plätze füllte man aber nicht auf. Sehr schade, bedeutete das doch, dass viele ganz junge Fahrerinnen nun wieder ein ganzes Jahr warten müssen, bis sie erneut bei einer Meisterschaft antreten und Erfahrungen sammeln dürfen. Das ist eine Spanne wie von Weihnachten bis wieder Weihnachten – für 9 oder 10 Jährige ein Zeitraum, den sie kaum überblicken können. Deshalb wäre eine von den Regularien leicht abweichende Vorgehensweise bei den Kleinen überlegenswert. Gerade die vielen Meisterschaften, die unsere Garser Jahrgänge 2000 bis 2004 in ihren jungen Jahren hatten fahren dürfen, machte diese nun bereits erwachsenen Fahrerinnen wie Verena Kotalla, Annalena Söll, Anne Gruber, Annika Sperr oder Henriette Höhne so erfolgreich.
Aus unserem Verein betraf es heuer die 10jährige Sofia Maier, die bei der Bayerischen Meisterschaft Platz vier belegt hatte, sogar auch in Appenweier vor Ort war, um die Paarkür zu fahren und dort durchaus gern gestartet wäre, um für ihre Freestyle-Karriere zu lernen.
Andreas Stettner holte mit seiner Kür „Räuber Hotzenplotz“ Platz 3 in der AK U11 und startet mit seinem Vortrag nun auch bei der Deutschen Meisterschaft. Die Jungs haben es im Freestyle immer etwas leichter als die Mädchen, sind die Starterfelder doch zumeist überschaubarer. So waren es sowohl bei der Bayerischen als auch bei der Süddeutschen Meisterschaft jeweils genau drei Starter in seiner Altersklasse.
Beeindruckt, wenn nicht sogar verblüfft, haben uns allerdings die U15 Jungs, die in ihrer Konkurrenz ein dermaßen umfangreiches und schwieriges Trickfeuerwerk entzündeten, dass wir aus dem Staunen nicht mehr herauskamen. Eine so leistungsstarke U15 gab es in all unseren vielen Freestyle-Jahren noch nie. Da wächst etwas heran! Ich habe Technik gewertet in dieser AK und musste hochaufmerksam sein, um ja keinen der zahlreichen und flott nacheinander aufs Parkett gezauberten, schwierigen Tricks zu verpassen.
In der AK U13 holte Laura Stettner unter 13 Fahrerinnen mit ihrer Kür „Merida“ Platz 5. Ihr Vortrag lief nahezu fehlerfrei durch, und auch im Training noch wackelige Tricks klappten in Appenweier sehr gut.
Der Sieg in der AK U21 ging verdient an Annalena Söll mit ihrer tricktechnisch sehr anspruchsvollen, hochwertigen Kür zu Musiken aus dem Marvel-Universe. Annalena verbindet Eleganz auf dem Rad mit hohen Schwierigkeiten und fährt auch nach Norderstedt zur DM. Vor allem zeigt sie viele der schwierigen Tricks pointiert und aufs Zehntel genau auf ihre Kürmusik. Das gelingt nur wenigen Fahrern. Um so unverständlicher war die Reihung fürs Expertfinale, in der Fahrerinnen vor ihr einsortiert wurden, deren technischer Kür-Wert so viel geringer war. Nicht nachvollziehbar.
Der Samstag begann mit den Paarküren der AK U11. Auch an diesem Tag eröffnete eine Garser Kür den Marathon an Vorträgen, jene von Daniela Abrantes und Sofia Maier mit dem Thema „How to train your dragon“. Auch diese Kür fährt zur DM. Bei der SDM gab es dafür mehr als verdient die Silbermedaille.
Eine zweite AK-Goldmedaille in der AK U21 und damit eine weitere DM-Qualifikation holte sich Annalena in der Paarkür „Wetterhexen“ gemeinsam mit Hannah Grätzl aus Altötting. Im Finale am Sonntag reichte es dann leider nicht für einen Podestplatz. Auch mit dem Team A des Bayernkader startet Annalena in Norderstedt.
In der Konkurrenz der Kleingruppenküren hatte sich das „Polizeirevier Wolfratshausen“ mit Selina Bögl, Laura Stettner, Andreas Stettner und Elias Kaduk für die SDM qualifiziert und kam auf Platz 8 ein. Einen siebten Platz holte Laura außerdem mit dem Team Junior des Bayernkaders.
Ein Highlight wie immer die Großgruppen, wobei die Bedingungen, die man diesen Küren seitens des Veranstalters bot, alles andere als ein Highlight waren, aber dazu am Ende noch ein paar Sätze. Die Garser „The Legend of King Arthur“ – Perfomance war eine der besten Küren, die wir je gefahren sind. Chapeau – liebe Fahrerinnen und Fahrer Selina Bögl, Laura Stettner, Magdalena Bentenrieder, Lena Teichmann, Annalena Söll, Annika Sperr, Henriette Höhne, Simone Saller, Verena Kotalla, Anne Gruber, Lena Freimuth und Timo Hirschmann, der in letzter Minute und ohne einen einzigen Trainingslauf noch für Antonia Söll eingesprungen war und seine Sache hervorragend machte. Da es auch Jettes vorerst letzte Kür für den TSV Gars war, bekam dieser wunderbare Durchlauf noch einen zusätzlichen Wert als Abschiedsgeschenk. Danke auch dafür. Platz vier unter acht Küren wurde es, noch vor dem Bayernkader Team B, einen Platz hinter dem Bayerischen A-Kader. Ohne die Kader, die bei Vereinsmeisterschaften letztlich nichts verloren haben, wären wir zur Deutschen Meisterschaft gefahren mit dieser Kür. Man stelle sich vor, die Fußballnationalmannschaft (oder eigentlich gleich mehrere davon) mischen ganz normal im Spielbetrieb der Bundesliga mit. Jeder Beteiligte würde sich ob dieses Unfugs nur an den Kopf fassen, bei uns ist das Realität. In Appenweier waren wir zudem der beste bayerische Verein, auch das bemerkenswert. Und wenn man unsere Leistung deutschlandweit mal einsortiert, gehören wir zu den vier, fünf besten Vereinen in unserem Land im Bereich der Großgruppenküren. Große Klasse!
Ein riesiges Dankeschön auch wieder an Konstantin, der diese und andere Expertküren im Livestream gekonnt in Szene setzte und alle Küren der drei Tage für sein Videoarchiv filmte. Beim Live-Kommentar gekonnt und eloquent unterstützt wurde er ein weiteres mal von Thorben Kessner.
Und wie schon angekündigt noch ein paar Sätze zum Thema Einfahrhalle/Einfahrzeiten:
Warum richtet man eine solche Meisterschaft, die mit dem Vorlauf-/Finalsystem so viele Starts nötig macht und auf der so viele Gruppenküren anwesend sind, in einem Objekt ohne halbwegs brauchbare Vorbereitungs- und Einfahrmöglichkeit aus? (Um dem Argument `dann macht doch selber` vorzubeugen: Wir engagieren uns wegen der mangelhaften Hallensituation in Südostbayern ausgiebig und bewusst mit der Ausrichtung von DMs in den Bereichen Muni und Rennen und tragen auf diesen Gebieten dazu bei, dass der Einradsport in Deutschland erfolgreich ist.)
Wenn sich keine Ausrichter mehr mit geeigneten Hallen für so berstende Veranstaltungen finden lassen, dann ist dieser Quali-Modus zu hinterfragen und dann muss über den Sinn und den Erfolg der Verbandszusammenlegung mit derart den Rahmen sprengenden Events grundlegend nachgedacht werden. Auch die Themen Fahrersicherheit und – gesundheit spielen hierbei eine Rolle. Wir fanden es unangemessen, wie in Bezug auf Einfahr-, Warmfahr- und Vorbereitungsmöglichkeiten mit unseren Fahrern und mit unserer im Vorfeld geleisteten Arbeit umgegangen wurde. Ich bin sehr froh, dass unsere Sportler diese mehr als missliche Situation so professionell meisterten. Wir haben unsere GG-Kür in Appenweier vor der Halle auf schrägem Untergrund mit jeder Menge Steinen, Löchern und über Eicheln rollend notdürftig vorbereitet, weil es anders nicht möglich war. Von der stets propagierten Professionalität, die dem Freestyle mit dem neuen Konzept innewohnen soll, lag dieses rumplige und sowohl die Fahrer als auch das sensible Material gefährdende Einfahren weit entfernt. Schon eher hatte es das Niveau `Auftritt Freizeitverein beim Volksfest`. (Normalerweise tragen wir die Freestyle-Räder vom Auto zur Halle, um keinen Schaden am Gerät zu machen und um keinen Dreck und keine Steinchen in die Hallen einzuschleppen.)
Eigentlich dürfte man diesen Umstand nicht hinnehmen, denn uns wurden keinen fairen Bedingungen geboten.
Unsere Meinung teilten auch andere Vereine in der Halle: Durch die fehlende Einfahrts- und Vorbereitungsmöglichkeit hatte bei der SDM 2024 der Heimvorteil einen gewaltigen Einfluss auf die Erfolge. Schade, dass es so etwas gibt und dass man das toleriert.