Die Süddeutsche im Jahr vor der Weltmeisterschaft – das ist für viele Einradfahrer ein weichenstellendes Ereignis. Sie entscheidet darüber, wie es um die Trainingsmoral der kommenden neun Monate bestellt sein wird.
Wer weiterkommt, hat ein großes Ziel vor Augen und wird alles daransetzen, häufig, intensiv und mit klarer Ausrichtung zu trainieren. Wer nicht weiterkommt, ist ein Stück weit verloren – denn für ihn gibt es nun über einen längeren Zeitraum keine Wettkampfmöglichkeit nach IUF-Rulebook-Vorgaben.
Nun ist es im Freestyle ja leider nicht so, dass Platzierungen auf Wertungen nach einem ausgereiften und transparenten Wertungssystem beruhen. Nicht selten hörte man auch in Illertissen wieder verzweifelte Stimmen in der Jury, die nicht wussten, wie sie die enorme Menge an Küren gerecht in eine sinnvolle Reihenfolge bringen sollten. Unter solchen Voraussetzungen müsste man viele Ergebnisse eigentlich mit einer gesunden Portion Distanz betrachten. Doch, wie soll das gelingen, wenn man jahrelang hart trainiert und sich eine nachvollziehbare, erklärbare Bewertung wünscht?
So blieb für jedes Jurymitglied letztlich nur die Hoffnung, dass sich die drei besten Küren eines jeden Wettbewerbs leistungsmäßig klar vom Rest des Feldes abhoben, sodass wenigstens an der Spitze keine Zweifel aufkamen. Und für die Fahrer hofft man das natürlich erst recht.
Die SDM aus Sicht der Garser
Aus Gars hatten sich für die Süddeutsche Meisterschaft vom 17. bis 19. Oktober in Illertissen Daniela Abrantes und Sofia Meier (Paarkür U13), Laura Stettner und Selina Bögl (Paarkür U15), Annalena Söll (EK U23, PK U23 und KG Expert) sowie die Großgruppe Expert mit Daniela, Sofia, Laura, Selina, Annalena, Magdalena Bentenrieder, Annika Sperr, Henriette Höhne, Simone Saller, Verena Kotalla, Anne Gruber, Lena Freimuth und mit den Ersatzfahrern Eva Mangstl und Timo Hirschmann qualifiziert.
Daniela und Sofia trafen in ihrer Altersklasse auf eine starke Konkurrenz mit insgesamt zehn Paarküren. Mit ihrer Kür „Encanto“ erreichten sie einen beachtlichen fünften Platz, wobei ihre Präsentation sogar auf Rang vier gewertet wurde – ein schönes Kompliment an Ausdruck und Synchronität.

In Lauras und Selinas Altersklasse standen dagegen nur sechs Paare am Start – obwohl laut „Konzept für gemeinsame Freestyle-Wettkämpfe“ eigentlich neun Startplätze vorgesehen wären. Das offenbart einen deutlichen Schwachpunkt im aktuellen Qualifikationssystem – dazu am Ende noch ein paar Gedanken.
Mit ihrer Kür „Wicked“ fuhren Laura und Selina auf Platz drei und sicherten sich damit das Ticket zur Deutschen Meisterschaft. Dabei gewannen sie berechtigt die Technikwertung, verbinden sie doch mehrfach in ihrer Kür drei oder vier Tricks miteinander, wohingegen andere Paare die Tricks oft einzeln zeigen. Sie durften im Finale Juniorexpert ein zweites Mal antreten. Dort belegten sie den fünften Platz.

Annalena überzeugte mit ihrer Einzelkür „Machines and Humans“ und holte in der Altersklasse U23 den zweiten Platz – damit ist sie direkt für die Deutsche Meisterschaft qualifiziert.
In dieser Alterskategorie stellten sich nur vier Einzelküren der Jury – eine davon wurde per Video bewertet.
Eigentlich sollte gerade dieses Alterssegment vor Talenten überquellen: In dieser Lebensphase erreichen technisches Können und Präsentationsstärke ihren Höhepunkt. Es ist der Moment, in dem jahrelanges Training und Erfahrung Früchte tragen – die eigentliche Pay-Off-Zeit nach all den Mühen seit Kindheitstagen.
Und dann nur vier Starterinnen, wenn die WM im kommenden Jahr „gleich nebenan“ in Steyr in Österreich stattfindet ? Das ist mehr als bedauerlich – es ist ein Warnsignal.

Auch in der Paarkür war das Starterfeld ähnlich klein. Annalena konnte hier gemeinsam mit Hannah Grätzl und dem Thema „Mystische Sirenen“ den ersten Platz erringen – ebenfalls ein sicherer Startplatz für die DM. Im anschließenden Expert-Finale belegten die beiden Platz sieben.

Mit der wunderschönen Kleingruppenkür „Kyoshi Fighters“ sicherte sich Annalena schließlich ihre dritte DM-Startberechtigung. Gemeinsam mit Tamina Backe, Johanna Dumann, Annalena Gröger, Patricia Teichmann und Hannah Grätzl fuhr sie auf Platz drei unter acht Expert-Kleingruppen.

Die Garser Großgruppe „The Dark Knight“ bestätigte erneut ihre Klasse: Wie schon 2024 wurde sie drittbester Verein Süddeutschlands, darf mit Platz vier jedoch auch diesmal nicht zur Deutschen Meisterschaft fahren.
Ab dem kommenden Jahr werden die Kadergruppen endlich nicht mehr gemeinsam mit den Vereinsgruppen gewertet – eine überfällige Änderung. Doch die Frage bleibt: Warum nicht von Anfang an? Und vor allem: Warum nicht schon 2025, wenn das Problem längst (an)erkannt wurde? Uns hat es zweimal die DM-Teilnahme gekostet.
Diese Regeländerung beseitigt auch ein weiteres, oft unterschätztes emotional-soziales Dilemma: Wenn Fahrerinnen sowohl im Kader als auch im Verein antreten und diese beiden Großgruppen direkt um DM- oder WM-Startplätze konkurrieren, entsteht eine kaum lösbare Spannung. Wer in einer Gruppe brilliert, aber in der anderen patzt, trägt ungewollt zu Enttäuschungen bei – sozialer Sprengstoff, der Jugendlichen und jungen Erwachsenen gleichermaßen zugemutet wird.
Die Garser Großgruppe ist sehr stark gefahren – dafür ein großes Lob!
Eure Performance war kraftvoll und beeindruckend. Kopf hoch, liebe Garser!
Ihr seid erneut die drittbeste Vereins-Großgruppe Süddeutschlands und nach dem Bayerischen Meistertitel 2025 nun auch im Herbst des gleichen Jahres wieder bester bayerischer Verein!
Chapeau!
Wir versuchen es im kommenden Jahr ein drittes Mal – und hoffen, dass der Spruch „Aller guten Dinge sind drei“ dann seine Wahrheit zeigt.

Gemeinsam mit dem Freestyle-Kader Bayern und der Kür „Die verlorenen Kinder des Peter Pan“ wurde Laura Deutsche Meisterin bei den Großgruppen 15+.
Insgesamt standen Garser Fahrerinnen bei Siegerehrungen fünfmal auf dem Podest.
Ein großes Dankeschön geht an die Illertissener und an Ingrid Kreutzer für diese so wunderbar ausgerichtete Meisterschaft, für die geschmeidige, durchdachte Organisation, den immer freundlichen Ton (keine Selbstverständlichkeit), das leckere Catering und die vielen kleinen hilfreichen Details. Von dieser Seite aus betrachtet haben wir uns sehr wohlgefühlt in der Vöhlin- Halle und waren auch wohlgefüllt mit all den Köstlichkeiten.
Ein ebenfalls großes Dankeschön geht an Konstantin und Thorben. Schön, dass der Ausrichter dran gedacht, deren Mammutberg an Arbeit mit einem Satz zu würdigen. Ist nicht die Regel. Das Filmen, das zeitnahe Onlinestellen der Küren, die Onlinestartliste, das Visualisieren des Wettbewerbs auf mehreren Monitoren in der Einfahrhalle und im Cateringbereich sowie die Livestreams mit Kommentar haben inzwischen ein hohes Niveau erreicht. Zuweilen beschleicht einen das Gefühl, dass das Event selbst damit kaum noch Schritt halten kann.
Und für die Deutsche ist sogar erneut ein Upgrade geplant. Und ein herzliches Dankeschön an Thorben Kessner für die Fotos, die er speziell bei Garser Auftritten gemacht und uns zur Verfügung gestellt hat.
Gedanken zum Qualifikationssystem im Freestyle
Das aktuelle Qualifikationssystem im Freestyle beschäftigt uns seit Langem – nicht nur, weil es Ungerechtigkeiten enthält, sondern weil diese inzwischen ernsthafte bis bedrohliche Auswirkungen auf unseren Sport selbst haben.
Seit der Reform im Jahr 2021 wirkt das System mit seiner frühen Selektion wie eine Einbahnstraße für ambitionierte Talente. Es verhindert, dass junge Fahrerinnen Wettkampferfahrung sammeln können, dass sie Teilhabe erleben, die sie für langfristigen sportlichen Erfolg brauchen, und dass sie ganzjährig motiviert bleiben.
Keine Medaille zu gewinnen, weil man leistungsmäßig noch nicht so weit ist – das ist normal, das gehört zum Sport.
Aber gar nicht erst antreten zu dürfen, weil das Qualifikationssystem unausgewogen ist und unter organisatorischer Überfrachtung leidet, ist schlicht nicht akzeptabel.
Zu eng gedacht: Wenn Praktikabilität über Sportlichkeit steht
Die Reduktion auf ein einziges, überladenes Wettkampfwochenende für alle Altersklassen, Finals und Gruppenküren folgt keiner sportlichen Logik – sie folgt reiner Praktikabilität. Das System ist zu eng gedacht, und alles, was nicht hineinpasst, schwappt über den Rand – und wird ignoriert.
Mit der Aufrechterhaltung des bestehenden Konstrukts opfert man junge Talente und Vereinsstrukturen.
Nach der Bayerischen Meisterschaft im Mai, bei der viele starke und ambitionierte Fahrerinnen enttäuscht ausschieden, habe ich mir die Mühe gemacht, Vergleiche der Starterzahlen zwischen den Bundesländern anzusehen: Wie groß ist in jedem Land die Chance, sich für SDM oder NDM zu qualifizieren?
Und wie stark spiegelt das System die tatsächliche Leistung, das Engagement der Vereine und die Dichte der Starter wider?
Exemplarisch dazu eine vergleichende Betrachtung der Starterzahlen der Paarküren Juniorexpert bei den Landesmeisterschaften 2024 und 2025, weil es vor allem die jungen Sportlerinnen sind, die Wettkampferfahrung und Motivation brauchen würden.
der SDM zugeordnete Vereine
| Paarküren 2024/2025 | Bayern | Hessen/Saar-land/ Rheinland-Pfalz | Baden-Württemberg | Schleswig-Holstein (Hamburg) | ODM (5 BL plus Berlin) | NRW/Nieder-sachsen/ Bremen |
| U 11 | 10/6 | 2/3 | 1/2 | 2/4 | 2/0 | 4/6 |
| U 13 | 15/ 9 | 1/5 | 3/3 | 4/6 | 2/4 | 5/6 |
| U 15 | 13/ 18 | 5/0 | 7/3 | 10/10 | 5/3 | 12/4 |
| Küren aller 3 AKs in Addition | 38/33 | 8/8 | 11/8 | 16/20 | 9/7 | 21/16 |
Startplätze für SDM/NDM und prozentuale Chance auf Weiterkommen zur SDM
| Landes-meisterschaft Bayern | Landes-meisterschaft BW (direkte Konkurrenz um SDM) | Landes-meisterschaft HE/SL (direkte Konkurrenz um SDM) | Landes-meisterschaften aller Bundesländer zusammen (ohne Bayern ) | |
| Starter Paarkür Juniorexpert 2024 für Startplätze SDM oder NDM | 38 für 9 Startplätze bei der SDM: U11 10 für 3 = 30% U13 15 für 3 = 20 % U15 13 für 3 = 23% | 11 für 9 Startplätze bei der SDM: U11 1 für 3 =100% U13 3 für 3 =100% U15 7 für 3 = 43% | 8 für 9 Startplätze bei der SDM U11 2 für 3 =100% U13 1 für 3 =100% U15 5 für 3 = 60% | 65 für 45 Startplätze bei SDM oder NDM U11 11 für 15 U13 15 für 15 U15 39 für 15 |
| Starter Paarkür Juniorexpert 2025 für Startplätze SDM oder NDM | 33 für 9 Startplätze bei der SDM: U11 6 für 3 = 50% U13 9 für 3 = 33% U15 18 für 3 = 16,6% | 8 für 9 Startplätze bei der SDM: U11 2 für 3 =100% U13 3 für 3 =100% U15 3 für 3 =100% | 8 für 9 Startplätze bei der SDM U11 3 für 3 =100% U13 5 für 3 = 60% U15 0 für 3 | 59 für 45 Startplätze bei SDM oder NDM U11 15 für 15 U13 24 für 15 U15 20 für 15 |
Kinder brauchen Teilhabe, keine Hürden
Wir reden hier nicht über erwachsene Profisportler, die sich für Olympia oder Sponsoren qualifizieren müssen.
Wir reden über Kinder und Jugendliche, die noch lernen, sich entwickeln, Erfahrungen sammeln.
Gerade sie brauchen Chancen, nicht Barrieren. Doch das System vergibt Startplätze nach starren Zahlen, ohne die tatsächliche Teilnehmerdichte oder den Aufwand der Vereine zu berücksichtigen.
Ein Beispiel:
Bei der Bayerischen Meisterschaft 2025 traten in der Paarkür U15 18 Paare an – für nur 3 Startplätze bei der SDM. In allen anderen Landesmeisterschaften, die zusammen 15 Startplätze zu vergeben hatten, starteten insgesamt 20 Paare. Das bedeutet: 18 Paare in Bayern für 3 Plätze – 20 Paare anderswo für 15 Plätze.
Außerhalb Bayerns kamen im Schnitt 75 % der Starter weiter, in den mit Bayern konkurrierenden Landesmeisterschaften sogar 100 %.
In Bayern hingegen nur 16,6 %.
Und das – wohlgemerkt – im Weltmeisterschaftsqualifikationsjahr.
Ungleichgewicht mit System
Das betrifft nicht nur eine einzelne Wertungsgruppe. Auch bei den Einzelküren weiblich zeigt sich 2025 das gleiche Bild: Bayern 67 Starterinnen, Baden-Württemberg 37, Hessen/Saarland/Rheinland-Pfalz 24 – bei identischer Zahl an SDM-Startplätzen.
Im Ergebnis wird Bayern für seine umfangreiche Vereinsarbeit im Freestyle regelrecht bestraft.
Wer argumentiert, Bayern sei eben ein großes Bundesland, übersieht, dass NRW mehr Einwohner hat und Baden-Württemberg fast gleichauf liegt – und dass die kombinierten Landesmeisterschaften ja die Einwohnerzahlen addieren. Es ist keine Frage der Größe, sondern eine Frage von Engagement und sportpolitischer Fairness.
Wenn Motivation auf der Strecke bleibt
Bei der SDM 2025 gingen in der Paarkür U11 gerade einmal fünf Paare an den Start – vier Startplätze blieben unbesetzt. In Baden-Württemberg und Hessen kamen alle U11-Paare weiter, in Bayern hingegen saßen fähige Kinder zu Hause, obwohl Plätze frei waren. Die gleiche künstliche Verknappung registrierten wir auch in der U15, in der nur 6 Paare für den Start zugelassen waren.
Wie soll da Motivation entstehen?
Kinder fragen sich, wofür sie trainieren sollen, und Eltern zweifeln am Sinn des Ganzen.
Währenddessen sammeln gleichaltrige Fahrerinnen anderer Bundesländer wertvolle Wettkampferfahrung, wachsen im Können – und überholen Schritt für Schritt jene, die nicht starten durften.
Das ist keine Gleichberechtigung, das ist Gleichmacherei, die den tatsächlichen Bedarf ignoriert.
Die U15 – das Herz der Entwicklung
Besonders gravierend ist die Lage in der U15 – jener Altersklasse, in der der größte Entwicklungssprung passiert.
Hier treffen Technik, Erfahrung und kognitive Reife aufeinander. Es ist die Zeit, in der sich entscheidet, ob junge Talente dabeibleiben – oder den Sport verlassen.
Wer in diesem Alter fast ein Jahr ohne Wettkampf verbringen muss, verliert nicht nur Motivation, sondern auch Anschluss. Diese Altersklasse ist der Nährboden der Zukunft im Freestyle – und darf nicht weiter ausgedünnt werden.
Konsequenz: Veränderung jetzt!
Die einzige logische Schlussfolgerung lautet: Das System muss verändert werden.
– Weg von der starren zahlenmäßigen Vergabe der Startplätze
– Hin zu einem prozentualen System, das die tatsächliche Beteiligung, regionale Dichte und das Engagement der Vereine berücksichtigt
Und im besten Fall:
Eine Trennung von Junioren- und Seniorenmeisterschaften, wie sie in vielen anderen Sportarten selbstverständlich ist.
Denn hier geht es nicht um Profis –
es geht um Kinder in der Entwicklung.
Nur ein faires, transparentes und entwicklungsorientiertes System kann sicherstellen, dass engagierte Vereine und motivierte Fahrerinnen nicht an einer Struktur scheitern, sondern entsprechend ihrer Leistung sichtbar und wirksam gefördert werden.


Schreibe einen Kommentar